Bedeutung für die Pflege

Adhärenz-Therapie ist in England für den ambulanten Bereich entwickelt worden und kann grundsätzlich von allen Professionen des interdisziplinären Teams durchgeführt werden. Pflegenden kommt dort, im Gegensatz zum deutschsprachigen Raum, als Community Psychiatric Nurses (CPN) eine zentrale Stellung mit hohem Verantwortungsprofil zu (Schulz, 2005). Zunehmend wird Adhärenz-Therapie aber auch im stationären Setting erprobt. Eine Implementierung im stationären Bereich erscheint v. a. deshalb möglich und sinnvoll, weil hier in Hinblick auf die Langzeitprophylaxe häufig langfristige Entscheidungen getroffen werden. Darüber hinaus machen Patienten im stationären Setting häufig schlechte Erfahrungen mit Medikamenten, z. B. im Rahmen von Zwangsmedikationen. Adhärenz-Therapie kann hier helfen, diese Erfahrungen zu bearbeiten und so eine bessere Voraussetzung für eine erfolgreiche Langzeittherapie zu schaffen. Vor dem Hintergrund, dass die Berücksichtigung des direkten Lebensumfeldes und der persönlichen Situation des Patienten im Rahmen der Intervention von entscheidender Bedeutung ist, gilt es, entsprechendes Wissen vorzuhalten.

Die Pflege ist als größte Berufsgruppe und aufgrund ihrer Nähe zum Patienten, welche tiefgehende, bisweilen intime Einblicke in das Leben der Patienten zulässt, gut geeignet, diese Intervention durchzuführen; eine vertrauensvolle Beziehung ist auch und gerade in diesem Kontext notwendige Voraussetzung für einen echten Kontakt. Bei einer Anwendung der Intervention im stationären Bereich ist davon auszugehen, dass eine solche Intervention – vor dem Hintergrund schwindender zeitlicher Ressourcen bei allen Berufsgruppen – lediglich von der Pflege aufgrund ihrer Präsenz vor Ort durchgeführt werden kann. Die Pflege hat im Rahmen des Behandlungsprozesses immer schon qualifizierte therapeutische Tätigkeiten, z. B. bei der Durchführung von Gruppenarbeit oder auch im Rahmen der Dialektisch-Behavioralen Therapie, durchgeführt (Schulz, 2005; Schulz & Krause,2003). Interventionen wie diese, die zum einen gut wissenschaftlich begründet (evidenzbasiert) sind, zum anderen auf chronische Erkrankungen abzielen, stellen aber darüber hinaus wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen und verantwortungsvollen Berufsprofil dar (Schlink, 1997; Schulz, 2003; Schulz, 2004).

Allerdings setzt die Durchführung einer solchen therapeutischen Intervention eine hohe Pflegefachlichkeit und darüber hinaus eine spezielle Schulung voraus. Im Zuge einer zunehmenden Spezialisierung der Arbeitsfelder ist von einer zunehmenden Differenzierung der Qualifikationsprofile auszugehen, wofür die Adherenceintervention ein Beispiel darstellt (Schulz & Behrens, 2005). Wendet man Adhärenz-Therapie im stationären Bereich an, dann kann sie im Rahmen einer dezentralen Pflegeorganisationsform eine mögliche Intervention der Bezugspflegekraft bzw. Primary Nurse darstellen (Schulz et al, 2007). Im Rahmen der interdisziplinären Behandlungsplanung gilt es dann, die Intervention bei entsprechendem Bedarf gemeinsam mit dem Arzt in die Behandlung einzupassen.

Schlink, B. (1997). Der Vorleser. Diogenes.

Schulz, M.(2003). Rekonzeptionalisierung als wesentliches Element einer qualitativ hochwertigen psychiatrischen Pflege. Pflege und Gesellschaft, 4, 133–160.

Schulz, M. (2004). Rekonzeptionalisierung Psychiatrischer Pflege. In: Bauer R, Krause P, Schulz M (Hrsg.). Interventionen Psychiatrischer Pflege. Ibicura, Unterostendorf. pp: 10–17.

Schulz, M. (2005). Neuorientierung und Paradigmenwechsel: Psychiatrische Pflege im Umbruch. Psych. Pflege Heute, 5,256–263.

Schulz, M. & Krause, P. (2003). Zwischen Bezugspflege und Primary Nursing – auf dem Weg zu einer evidenzbasierten und personenzentrierten Pflegeorganisationsform.Psych. Pflege Heute, 8, 242–248.

Schulz, M. & Behrens, J. (2005). Die Entwicklung gemeindenaher psychiatrischer Pflege in Großbritannien – Implikationen für Deutschland. PR-Internet, 7,410–415.

Schulz, M., Dorgerloh, S., Ratzka, S., Gray, R. & Behrens, J. (2007). Therapeutische Interventionen zur Beeinflussung der Adherence chronisch Kranker – Ureigenste Domäne professionellen pflegerischen Handelns.PADUA, 3, 44–49.